29.8.09, 18.00 Uhr, Manakamana Hotel, Birendranagar, Surkhet, Nepal
Der Tag gestern war ein Power-Input-Tag. Wir griffen allerdings die Idee einer Teilnehmerin auf, die meinte, es würde ihr helfen, wenn sie die Kernbotschaft des jeweiligen Moduls auf Plakat hätte. Wir haben uns also für Umfeld, Rede und Vision jeweils einige kernige Worte einfallen lassen und haben darunter gleich die nepalesische Übersetzung geschrieben. Hat wohl dazu beigetragen, dass wie die drei Themen bis 13.00 Uhr durch hatten, ohne den Eindruck zu haben, die Teilnehmer überfordert oder abgehängt zu haben. Nun, die Simulation morgen wird’s zeigen.
Die vielgescholtene linkshirnlastige deutsche Schulbildung scheint doch so seine Vorteile zu haben. Einstweilen mache ich zwischendurch Überkreuz-Spiele mit den Teilnehmern. Vielleicht hilft’s ja was.
Habe ich schon erwähnt, dass ich rührend naiv sein kann? Binod war es, der mich darauf hingewiesen hat, dass Mithra zwischendurch immer wieder in sein Büro geht. Ich habe noch mal mit Mithra gesprochen, und statt ihm zu drohen, habe ich ihn nur gebeten, zu seinen Gruppenarbeitsmitgliedern fair zu sein und ihnen seine Unterstützung nicht dadurch zu verweigern, dass er nach fünf Minuten die Gruppe verlässt.
Ich habe gleichzeitig mit Binod gesprochen und ihm gesagt, dass ich das Gefühl habe, er instrumentalisiert mich, d.h. er will offenbar, dass Mithra schlecht dasteht und ich habe Mithra zurechtgewiesen. Ich fragte Binod, warum er will, dass Mithra ständig im Raum anwesend ist, und er antwortete, weil ja die anderen auch dort seien. Ich sagte ihm, dass das kein sinnvoller Grund für mich als Trainer ist. Meine Aufgabe besteht darin, ein optimales Lernklima zu schaffen. Dafür ist konstante Anwesenheit nicht nötig. Formalismen dieser Art, hindern die Teilnehmer im Gegenteil daran, eigenständig zu denken.
Die Idee mit Yukta dem Spion stammt auch von Binod. Und als Yukta dann nach Feierabend alle Teilnehmer im Tagungsraum mit einer Nachhilfestunde beglückte, während wir am Nebentisch an unseren Computern saßen, merkte ich, dass mir das gar nicht gefällt. Ich unterbrach ihn also und stellte der Gesamtgruppe gegenüber noch einmal klar, dass Yukta keinerlei Autorisierung hat, BUS zu unterrichten und dass diese Zusammenkunft als eine rein private Nachhilfe zu betrachten sei. Binod saß unter den Teilnehmer und ich hatte merkwürdigerweise, das Gefühl, das er nicht mit meiner Intervention einverstanden ist. Wir sind dann später gegangen und haben die Gruppe sich selbst überlassen, denn es war ja schon lange nach Feierabend. Später meinte Binod zu mir, dass das eine sehr wichtige Intervention gewesen sei und dass man Yukta zurückpfeifen müsse. Da ist mir klar geworden, dass ich mich erneut habe instrumentalisieren lassen. Es ist Binod, der was gegen Yukta hat.
Ich fing dann an, mal ein wenig über Binods Beweggründe nachzudenken. Er will BUS-Koordinator für Nepal werden. Sowohl Mithra und noch viel mehr Yukta sind mögliche Konkurrenten für diesen Job. Und obendrein sitzen sie auf der Hühnerleiter einige Stufen höher als er. An Binods Stelle würde ich mir auch überlegen, wie ich an denen vorbeikomme. Dass er es versucht, finde ich gut, aber ich beginne sofort an Menschen zu zweifeln, die andere anschwärzen. Solche Menschen schwärzen auch mich an, wenn es ihnen gelegen scheint. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich instrumentalisiert fühle und er hat ungestört weiter gemacht. Und, naiv wie ich bin, habe mich instrumentalisieren lassen.
Nun weiß ich nicht so recht, wie ich mich davon abgrenzen soll, außer, dass ich Binod mit mehr Misstrauen, oder wenigstens mehr Vorsicht als bisher begegne und nicht mehr alles arglos akzeptiere, was er so sagt. Aber ich mag mich nicht so distanzieren mit Menschen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe und auf die ich mich verlassen muss. Es auf einen offenen Bruch ankommen zu lassen, wage ich deshalb aber auch nicht. Weil mir dann eventuell ein Kampf ins Haus steht. Kämpfen will ich aber erst recht nicht (weil ich zutiefst davon überzeugt bin, stets zu verlieren). Na, wenn das keine Wachstumschance ist. Ich halte euch auf dem Laufenden.
Jedenfalls verstehe ich nun, weshalb viele Leute anderen nicht gleich um den Hals fallen. Mehr Distanziertheit, wie sie z.B. Ingo besitzt, bewahrt einen davor, später wiederzurückrudern zu müssen.
29.8.09, 21.10 Uhr, Manakamana Hotel, Birendranagar, Surkhet, Nepal
Ein kleiner Nachtrag. Ich komme soeben von einer Einladung zurück von, na wem? Yukta! Er hatte die Präsentation einer neuen Webseite angekündigt, wo sich ein Projekt präsentiert, an dem er mitarbeitet. Er versammelte mich, Ingo und zwei Drittel der Teilnehmer in einem Raum und begann auf Nepali die Seite zu beschreiben, als dann noch Powerpoint-Slides nur mit Nepali-Text kamen, sind Ingo und ich gegangen und haben versprochen um sieben zurückzukehren, denn ich hoffte auf eine Tanzparty. Die Präsentation war gerade vorbei und wir konnten uns bei Bratfisch- und gebratenen Lammhäppchen über das Vorgestellte und Yuktas Position im nepalesischen Projekte-Universum aufklären lassen. Yukta scheint aus mir nicht ersichtlichen Gründen sehr daran interessiert, uns auf seine Seite zu bringen. Wobei ich ignoranterweise nicht recht herausbekommen habe, welche Seite das wohl ist. Er scheint ein einflussreicher Mann in seiner Ecke der Welt zu sein. Ich habe ihm jedenfalls noch mal erklärt, dass eine Vermischung von BUS und CEFE zu diesem Zeitpunkt mir nicht sinnvoll erscheint und ich bat ihn, darauf besonders zu achten, wenn er in der Gruppe agiert.
Soweit ich ihn verstanden habe sieht er BUS als hilfreiches und nützliches Entscheidungsmodul für Absolventen eines Neunmonatskurses in „BUSiness Literacy“, der als das erste von drei Modulen der Entwicklung von kleinen Geschäften und Dienstleistungen dient. Unter anderem dafür halte ich die BUS-Module durchaus für geeignet. Als Yukta mir allerdings am Ende des Abendessens eröffnete, er wolle nicht am Coaching teilnehmen, platzte ich heraus, dass er dann ja nicht die Zertifizierung haben könne. Ingo meinte gleich auf Deutsch zu mir „Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, das zu diskutieren.“ Das sah ich zwar gar nicht so, aber ich ließ es dann natürlich auf sich beruhen. Ingo erklärte mir auf dem Nachhauseweg, dass wir ja über die Zertifizierung gar nicht zu befinden haben. Wir geben bloß Empfehlungen. Da hat er nun auch wieder Recht. Es ist mir aber klar geworden, dass auch Yukta seine geheime Agenda hat.
Als ich Ingo fragte, wie er mein Verhalten bezeichnen würde, antwortete er „zu offen“. Also ich bin eher nicht zu naiv, sondern sowohl zu unüberlegt, als auch zu offen. Ich sagte ihm: „Vielleicht will ich ja gar nichts anderes als offen sein. Das hat ja auch so seine Vorteile.“ Da zuckte Ingo lächelnd mit den Schultern.
Tja, ich bin gespannt, wie die Story mit Binod, Yukta, et. al. weitergeht.
Der Tagesausflug gestaltete sich, na sagen wir übersichtlich. Wir mieteten einen 16-sitzigen BUS für drei Stunden (1500 Rs = 15 EUR) und ließen uns in der Gegend umher karren. Mitra hatte sich uns als Guide angeboten, rief aber morgens an, dass er keine Zeit habe. Also hat Binod ein paar Teilnehmer mobilisiert, mit denen wir zusammen losgezogen sind. Erst zu einer buddhistischen Tempelruine. Sah ein bisschen wie Indiana Jones aus, die im Wald herumliegenden, grün bemoosten Steine des Tempels. Dann weiter zum bulbule-See, ein kleiner See, aus dem ständig Wasserblasen (bul) aufsteigen. Schließlich noch zu einem Hindu-Tempel, wo ich einen Segen und ein rotes Mal auf die Stirn bekam. Der vormittägliche Ausflug endete nach einem kurzen Besuch des Helikopter-Flugplatzes in einem der wenigen, wenn nicht dem einzigen Kaffeehaus von Birendranagar. Alles in Allem nicht halb so interessant, wie der Ausflug in die Mustergemeinde vor einer Woche. So, jetzt sind wir wieder auf der Höhe.
Gute Nacht.