1.9.09, 6.30 Uhr, Manakamana Hotel, Birendranagar, Surkhet, Nepal
1.9.09, 6.30 Uhr, Manakamana Hotel, Birendranagar, Surkhet, Nepal
Guten Morgen,
heute hat mich der Wecker draußen vor meinem Fenster um sechs aus dem Bett gescheucht. Na, ich war ja auch schon um 10 Uhr im Bett. Kein Strom heißt ein wenig mit Stirnlampe lesen und *gähn*, schon fallen mir die Augen zu. Wie gesagt, diese Stadt erzieht konsequent zum Frühaufsteher.
Gestern gab es die letzten Inhalte – Entscheidungsmatrix und Aktionsplan – wo ich mit Ingo unterschiedlicher Meinung war, weil ich der Ansicht bin, dass hier ein Meilenstein-Plan mit dem eigentlichen Aktionsplan vermischt wird. Die eingetragenen Aktionen sind viel zu komplex und die „ersten Schritte“, wie es in der Kopfzeile des Flip-Charts heißt, umfassen jeweils verschiedenste Tätigkeiten, die sich teilweise über Wochen und Monate hinziehen. Das kommt mir einem Übersichtsplan mit Meilensteinen recht nahe.
Unter einem Aktionsplan verstehe ich eher einen selbstverpflichtenden Katalog an konkreten Tätigkeiten mit festgesetzten Zeitpunkten, der immer fortgeschrieben wird. Also mehr eine Aufgabenliste.
Der Nachteil der Vermischung mit dem nach unten offenen Aktionsplan und einer Projektübersicht, die meiner Meinung nach einen abgeschlossenen Plan darstellt, besteht vor allem darin, dass die Projekte nicht bis zu Ende durchdacht werden. Die Diskussion förderte jedenfalls zu Tage, dass hier noch das Element Meilensteine/Projektübersicht fehlt und bei späteren Versionen von BUS. Dafür könnte man sich noch mal überlegen, was mit dem Element „Speech“ erreicht werden soll, und ob das auch auf anderem Wege erreichbar ist, oder ob man es ganz weglassen sollte, z.B. zugunsten eines einfachen Projektplans. Wie gesagt, das BUS-Konzept ist nicht berühmt für seine Wissenschaftlichkeit, sondern neben der Praktikabilität vor allem für seine geistöffende Wirkung.
Kein Strom am Morgen heißt leider auch, kein Computer und kein Blog schreiben. Ich habe zwar noch zwei Stunden Zeit, bis das Training heute beginnt, aber nur 11% Power habe ich noch. Mal sehen wie weit ich damit komme…
Gerade traben einige Kompanien von Soldaten durch die Hauptstraße. Die kommen jeden Tag um die Zeit. Birendranagar ist offenbar eine Garnisonsstadt. Trab, trab, tab…
…genau einen Satz ;-))
1.9.09, 18.30 Uhr, Manakamana Hotel, Birendranagar, Surkhet, Nepal
Gleich geht die Abschiedsparty los. Sie wird hier im Hotel stattfinden und ich werde endlich mal wieder zu Tanzen kommen. Die typische nepalesische Musik ist mir sowieso dauernd im Ohr, mit der rhythmischen Madal, der nepalesischen Trommel mit ihrem hellen Klang.
Der Tag verlief erwartungsgemäß fein. Die Evaluierung brachte kaum Erkenntnisse außer der, dass es einen Unterschied zwischen Lob und Feedback gibt, der in Zukunft stärker und klarer herausgearbeitet werden muss. Ebenso wie eine stärkere Lösungsorientierung.
„What are your suggestions“, „Was sind eure Vorschläge?“ lautete meine Frage am Anfang der Evaluation, die glatt ignoriert wurde. So kamen hunderte von Metaplankarten mit nichtssagenden „good“, „excellent“, „perfect“, „not good“, „bad“ zustande, die entsprechend wenig verwertbar waren. Natürlich hat die, sagen wir löchrige, Organisation das meiste Fett abbekommen, aber wenigstens da, habe ich mich eingemischt und nach konkreten Änderungswünschen gefragt und es kamen tatsächlich vier zustande.
Da nun aber der Verantwortliche Chef der hiesigen Wirtschaftskammer selbst als Teilnehmer dabei war, haben es die anderen Teilnehmer ihm brühwarm aufs Butterbrot geschmiert. Da ihn das offenbar geknickt hat, habe ich natürlich darauf bestanden, dass er auch für seine Leistung gewürdigt wird. Und da die Anerkennung erst sehr zögerlich und dann bis zur Ironie nichtssagend allgemein („You are the best organisator.“) war, kam ich richtiggehend ins Schimpfen, ob sie denn nicht BUS-Trainer werden wollten und ob sie denn nicht verstanden hätten, worum es beim Element „Feedback“ geht und wie sie es ihren Trainees nahe bringen wollen, wenn sie selbst nicht imstande sind, qualifiziertes Feedback zu geben. „Und jetzt schaut mit Blumenaugen auf Mitra und sagt ihm, was ihr gutes entdecken könnt.“ Und dann ging es. So, jetzt ab zur Party.
1.9.09, 23.30 Uhr, Manakamana Hotel, Birendranagar, Surkhet, Nepal
Eine klassische Nepal-Party, wenn ich aus meinen mageren Vorerfahungen solche Schlüsse ziehen darf. Die Leute trudelten nach und nach ein. Es gab Musik von meinem Laptop, dank Danwal dem Taxifahrer. Dann kam ein Conferencier und rief nach einander einige Leute, darunter auch mich und Ingo zu einer kleinen Rede auf. Dann gab es noch mehr Tanz. Ich bat die Wirtschaftskammerleute, die Madal, die Trommel zu holen und dann ging es damit weiter. Es kamen Snacks, d.h. Stückchen gebratenes Hähnchen mit Krautsalat und noch mehr Tanz, wobei eher die Männer tanzen. Unsere drei jungen Frauen ließen sich nur zögerlich ein, kamen aber dann gut in Fahrt. Die Tanzparty endete mit einem fetzigen Techno-Stück für mich so gegen 10.00 Uhr, dann gab es noch Dal Bhat, Reis mit einem Schüsselchen Linsensuppe, Gemüsecurry, salziges, spinatähnliches, gekochtes Grünzeug, Mangopickles, Gurken, und eine sauer-scharfe Sauce. Unsere 5-Elemente-Kochlehrerinnen werden entzückt sein, dass hier 5-Elemente-mäßig gekocht wird, Getreide, etwas kurzgekochtes, etwas langgekochtes, Pickles. Sie hätten ihre Freude an diesem Essen.
Und dann war der Spuck auch schon vorbei. Bequemerweise fand die Party in unserem Hotel statt und kostete alles in allem etwa 80 EUR, nicht schlecht für eine 20-Leute-Fete.
Ach ja, nach den Reden kam auch noch ein kleines hinduistisches Ritual, die drei Frauen reichten, Apfelstückchen und rieben uns mit dem Daumen eine rote Tika (Mal) auf die Stirn. „As a token of love“ wie es hieß. Ja ein Zeichen der Liebe hatte ich ja auch heute Nachmittag mit dem goldenen Herzchen, das ich jedem Teilnehmer zum Ende überreichte, haben die Teilnehmer auch von mir bekommen.
So, jetzt ins Bett, morgen noch ein halber Tag Arbeit und dann geht es ab nach Hause. Erst eine 4-Stunden-Fahrt ins Tiefland nach Nepalgunj, von dort morgen mit dem Flieger weiter nach Kathmandu und übermorgen schon Richtung Frankfurt, wo mich meine Frau erwartet. Ach wir freu’ ich mich.
Gute Nacht.
3.9.09, 6.00 Uhr, Travellers Village, Nepalgunj, Terai, Nepal
Jetzt wäre mal endlich Ruhe zum Ausschlafen und ich wache um fünf Uhr von alleine auf. Ist das jetzt gut, dass ich so früh wach bin? Ich meine für die Zeitumstellung. Bei euch ist es noch zwanzig nach zwei, wie mir meine Computeruhr, die ich nicht umgestellt habe, zeigt. Wenn ich also morgen Abend um sechs in Frankfurt lande, werde ich einen mordsmäßig langen Tag hinter mir haben und sicher früh ins Bett gehen. Sagen wir um zehn. Müsste dann ja bestens passen, oder? Na, wir werden sehen. Die Seele braucht sowieso ein paar Tage für so weite Strecken.
Der Tag gestern war soweit fein, es gab noch die eine oder andere Abschiedsszene, teils formell mit Tika (rote Farbe auf die Stirn) und Geschenke-Austausch, teils informell, teils flüchtig, teils bewegend. Wie das bei Abschieden eben so ist. Ich bin auch ein wenig traurig, denn auch wenn sich keine tieferen Bindungen in der kurzen Zeit und bei dem großen kulturellen Abstand bilden können, fühlte ich mich dennoch für meine Teilnehmer verantwortlich und bin stolz auf ihre Entwicklung und ihre Leistung. Hier leben wollte ich aber nicht. Nicht mal, wenn ich Andrea bei mir hätte. Auch hier Urlaub machen, fiele mir nicht ein. So ein längerer Arbeitsaufenthalt ist da genau richtig.
Dass ich mich aber viel mehr freue, nach Hause zu Andrea und meinen Freunden zu kommen, ist ja klar. Daher wahrscheinlich auch mein frühes Aufwachen. Ich hatte zuletzt auch vom Aufwachen geträumt. Ich bin eben aufgeregt. Deshalb ist an weiteren Schlaf auch nicht zu denken, auch wenn ich das Gefühl habe, übermüdet zu sein. Hurra, ich komme heim!
Der Weg nach Nepalgunj war mir von der Herfahrt aus Tansen noch vage bekannt. Die Bergrutsche sind beseitigt, d.h. die Straßen sind notdürftig mit grobem Felsbrocken repariert und es ist ein mächtiges Geholper, im Schritttempo darüber hinwegzukommen. Auf dem Weg durch den Nationalpark, der von Soldaten mit Straßensperre bewacht wird, damit niemand wildert, hat mich der sonst sehr schweigsame Fahrer auf eine Herde getüpfelter Rehe aufmerksam gemacht. Gleich neben der Straße, da komme ich mir eher wie in einem Wildgehege im Volkspark Jungfernheide in Berlin vor. Fehlt nur der Zaun. Also keine Tiger und nicht mal einen Affen, wie auf der Herreise. Na, ich bin ja sowieso nicht so der Naturfan.
Insgesamt bin ich ja nur in der grünen Zone Nepals unterwegs gewesen. Der Monsun hat mich hier unten im Terai wiedereingeholt. Es plätschert und tröpfelt aus allen Ecken und Enden. In Surkhet hat es die letzten Tage nicht mehr geregnet und wir haben eine Vorahnung über die Hitze in der trockenen Zeit bekommen. Jedenfalls hat Nepal neben dem kahlen, kalten Hochgebirge, für das es ja berühmt ist, auch jede Menge Hitze und Grünes zu bieten. Ich habe davon in Tansen ja nur ein paar wolkenverhangene Gipfel am Horizont zu sehen bekommen. Die Ankündigung, wir würden das Hochgebirge gar nicht zu sehen bekommen, hat sich also weitgehend bestätigt. Vielleicht kriege ich auf dem Inlandsflug nach Kathmandu nachher noch einen Blick auf das majestätische Dach der Welt.
Gesundheitlich bin ich ja bestens durchgekommen, die kleinen Anflüge von Erkältung habe ich mit Vitamin C und den erwähnten Sinuprettropfen-Gegurgel erfolgreich in Schach gehalten. Die Verdauung ist dank der Vorsichtsmaßnahmen, möglichst nur aus der Flasche zu trinken – Wasser nur aus versiegelten Flaschen – und auch zum Zähneputzen kein Leitungs- sondern Flaschenwasser zu nehmen, zu verdanken. Auch das Motto „cook it, peal it, or leave it“ hat zu meinem Wohlbefinden sicherlich beigetragen. Das einzige was mich plagt, sind Sonnenbläschen auf den Handrücken.
Das Travellers Village hier in Nepalgunj wird von einer resoluten Amerikanerin geleitet und hat einen entsprechend hohen Reinlichkeitsstand. Das Essen ist gut, die Klimaanlage, für die ich in Birendranagar zu geizig war, liefert ein angenehmes Klima im Raum. Der ist sauber und riecht gut, selbst im Bad ist kein muffiger Schimmel zu riechen und das ist hier schon eine Kunst.
Der Dreck überall und die Gleichgültigkeit ihm gegenüber hat mich hier mit am meisten gestört. Gleich gefolgt von der Hellhörigkeit der Häuser und der lästigen Angewohnheit der Nepali aus tiefster Lunge lautstark hervorzuhusten, was da drin sein könnte. Und natürlich der Höllenkrach auf der Straße ab halb sieben in der Frühe.
Was mir am meisten fehlen wird, ist die Friedfertigkeit der Leute, die stets zu einem händegefalteten Namasté bereit sind und kaum je direkt widersprechen. Was mir auch fehlen wird ist eigenartiger Weise die Allgegenwart der Götter in diesem Land und deren Verehrung. Das Leben ist hier von Religiosität durchdrungen. Eigenartig deshalb, weil ich ja durchaus kein religiöser Mensch bin. Hat wahrscheinlich was mit meinem Bedürfnis nach Geborgenheit zu tun, von dem ich früher schon gesprochen habe. Was mir auch fehlen wird, ist das nepalesische Essen, das zwar einfach ist und sowohl der indischen Vielfalt als auch der chinesischen Raffinesse entbehrt, aber für meinen Gaumen doch schmackhaft ist. Dal Bhat, das klassische nepalesische Menü, habe ich mir gestern Abend bestellt und heute Abend esse ich es gleich noch mal.
Fehlen werden mir auch die Merkwürdigkeiten, denen man hierzulande begegnet, wie zum Beispiel der gespenstische Eindruck, den die Kühe auf den Straßen in der Nacht machen. Als ich einmal abends nach Einbruch der Dunkelheit zum Hotel zurückkehrte, standen etwa ein Dutzend Rinder wohl verteilt auf der Straße und käuten wieder. Oder die an der Decke entlang huschenden Geckos. Oder der Tanz zum Abschluss der Trainingstages, der zwar nicht alle Tage und auch nur bei der letzten Gruppe stattfand, den ich aber genoss, wenn es passierte.
So, Zeit für die Dusche und einen weiteren Reisetag.
Namasté und Guten Morgen
Beim Lesen deines Blogs erfahr ich viel, über dein Business und wenig über Nepal. Das mit dem Müll finde ich ausgesprochen kurz gesprungen, unseren Müll schmeissen wir bevorzugt in den Ozean, exportieren, weil wir so viel davon haben und im verdrängen davon sind wir doch wohl Weltmeister!