8.11.09, 7.00 Uhr Himalaya Hotel, Kathmandu, Nepal
Guten morgen allerseits und Namaskar (das sagt man beim ersten Mal oder zu formalen Anläßen),
die letzten zwei Tage waren angefüllt mit Ausflügen, Konferenzen und Sonderarbeiten jenseits des bus2-Trainings. Und auch jetzt habe ich nur relativ wenig Zeit für die Blogschreiberei. Am Freitag führte mich Anton durch Tamel, dem Touristeneinkaufsviertel von Kathmandu. Enge Gäßchen mit Läden über Läden, die neben den ganzen Souvenirs auch Ausrüstungsmaterial für das Trekking verkaufen. Vor lauter Gucken und staunen habe ich gar keine Fotos gemacht. Nur der Sticker hat mich mit seiner Kunsfertigkeit so fasziniert, dass ich daran gedacht habe, ihn zu fotografieren. Ich stand minutenlang dabei um zu sehen, wie langsam Farbe um Farbe das Bild entstand. Freihändig und ohne Muster. Faszinierend.
Der Tag mit den IEDI-Trainern war spannend, weil Anton und ich uns abwechselnd in den Fragen und Spitzfindigkeiten der Teilnehmer verfingen. Da haben wir uns dann gegenseitig rausgeholt. Ist schon sehr praktisch, wenn man Rückendeckung hat, in so einer Atmosphäre der Analyse und kritischen Betrachtung. Für mich ist es einmal mehr lehrreich gewesen, zu erleben, wie das, was ich bei Anton nicht OK fand, nämlich, dass er sich in Detaildiskussionen verstricken ließ, mir genauso passiert, wenn mir eine Angriffsfrage gestellt wird, auch wenn es da eine Ebene meines Denkens gibt, die gar nichts gelernt/verändert hat. Gedacht habe ich nämlich, dass ich’s besser kann, solange ich zusah, und gemerkt habe ich nicht, dass ich genau dasselbe tue, wenn ich dran bin. Erst in der distanzierten Betrachtung und nach mehreren Wiederholungen des Phänomens kam mir die Mechanik zu Bewusstsein. Ich habe Anton natürlich sofort gedankt, sobald mir das klar geworden ist, damit mir (und ihm) das im Gedächtnis bleibt. Da braucht es wohl viel Übung, um dieses Bewusstsein wach zu halten oder wenigstens immer wieder aufzuwecken. Und es zeigt einmal mehr, wie hoch der Automatisierungsgrad in unserem Denken und Verhalten ist.
Unser direkter Auftraggeber ist heute (am Donnerstag) abend in Kathmandu eingetroffen und wir haben ihn nach unserem Ausflug nach Tamel im Hotel getroffen und in meinem Zimmer ein kleines Stelldichein zu dritt veranstaltet. Es ist auch hier spannend zu beobachten, wie mein Automat im Kopf noch alte Programme abspult. In diesem Fall war es das Programm „Obrigkeitsgläubigkeit, Furcht vor Autorität“. Ich dachte, dass ich nicht viel Schlaues beizutragen habe, dass ich vorsichtig sein muss, dass ich mich ganz sicher als taube Nuss erweisen werde, was der wohl von mir denkt, bestimmt sieht er sofort, wie unsicher und unfähig ich bin, und so weiter. Eine ewige Litanei, die ich mir jetzt nur mit Mühe aus dem Gedächtnis holen kann und die entsprechend überzeichnet ist, die aber im Hintergrund mitläuft. Und wenn es da nicht noch einen parallelen Automaten gäbe, der einfach mal was sagt, der sich von den Gedanken, die im Raum sind, inspirieren lässt, der jede Menge Humor produziert, der stolz auf eine gelungene Wendung, auf einen schlauen Gedanken ist, der überhaupt denkt, wie toll ich doch bin, wäre ich wohl den ganzen Abend dagesessen wie ein Fisch, der das Maul nur aufmacht, um Zustimmungsblasen abzulassen. Ich fürchte, wenn ich unter Druck gerate, wird der erste Automat die Oberhand gewinnen und ein Unterwürfigkeitsproramm anwerfen. Ein Kämpfer zu sein, habe ich mir ja sowieso schon früh abgewöhnt und im Laufe meines Lebens nur selten zu sein getraut. Ist schon spannend, sich bei solchen Geschichten selbst zu beobachten. Solltet ihr auch mal ausprobieren. Ob diese Betrachtung dazu führt, dass ich mehr zu mir selbst stehe, oder ob ich selbst mehr zu mir stehen kann und ich mich deshalb so betrachten kann, vermag ich nicht zu ermessen. Ist vielleicht ja auch egal (Aber mein Sendungsbewusstseinsautomat versucht dauernd, euch zu belehren. Dem ist das gar nicht egal 😉
Das Gespräch und die weiteren in den folgenden Tagen hat mein lückenhaftes Bild der Situation sehr aufgefüllt und weiß einiges mehr über die Zusammenhänge auf allen Ebenen.
Was die Rolle des bus-Trainings anlangt, was der Auftrag an die IEDI und die CEFE-Trainer ist, wie die nepalesische Regierung eingebunden ist und welche Rolle dem Entwicklungshilfeträger zufällt. Vielleicht setze ich es euch später auseinander.
Ich hoffe, ich komme auch bald dazu, euch von unserem Ausflug nach Bhaktapur vor den Toren Kathmandus zu erzählen. Als Appetitanreger nur dieses Foto von einem Baum im Tempel, der zum Tempel im Baum geworden ist.
Namasté
Hallo Erich,
gute Besserung wünsche ich Dir!
… das ist auch egoistisch gedacht… 😉
Denn sonst kannst Du ja keine weiteren so tolle, kurzweilige Tagebucheinträge mehr machen!
Gruß
Susanne