4.11.09, 6.45 Uhr, Surina’s Hotel, Dhangadhi, Chitwan, Nepal
Guten Morgen allerseits. Während bei euch in Deutschland die allerletzten Nachtschwärmer ins Bett sinken, kann ich hier schon den Sonnenaufgang bewundern. In fremden Betten schlafe ich traditionell nicht lange und so bin ich seit 5 Uhr wach und warte ungeduldig auf das erste Tageslicht. Zudem habe ich Kopfschmerzen, denn in Ermangelung von Cola (es scheint, dass hier der Cola-Nachschub abgerissen ist; ich hatte schon gestern Schwierigkeiten im Restaurant Cola zu bekommen) habe ich Gorkha-Bier getrunken.
Ist wohl nicht für seine Reinheit bekannt. Anton hat mir dabei geholfen, ich bin gespannt, wie er sich heute fühlt. Gestern waren wir um 23.00 Uhr schon Richtung Bett unterwegs. Nepal erzieht zum Frühaufsteher. Aber ich greife vor.
Der Tag begann, indem ich – meinen gepackten Koffer zu Antons treuen Händen im Park Inn Hotel zurücklassend – morgens um sieben Uhr loslief, um für euch den neuesten Blog im Cyber Shop abzusetzen. Das ist mir, wie ihr gelesen habt, auch anstandslos gelungen. Danach zur CCI und der dritte und letzte Coachingtag für die Kailali-Trainee-Gruppe konnte beginnen. Die Teilnehmer waren guter Dinge und die Trainees fast ausgelassen. Kein Wunder, die Ziellinie war ja in Sicht. Dieser Tag noch und sie alle würden ihr Zertifikat erhalten und bus-Trainer sein. Die Trainees haben einen monatelangen Ausbildungsprozess hinter sich und die meisten sind sehr engagiert und auch fähig. Was jetzt noch fehlt, ist Erfahrung. Ich hoffe, sie alle bekommen noch innerhalb der nächsten drei Monate eine Gelegenheit, ein eigenständiges Training abzuhalten. Die Teilnehmer waren jedenfalls ganz scharf auf bus1, das sie ja noch nicht kennen. Und so gut organisiert, wie die Wirtschaftskammer hier in Dhangadhi ist, würde es mich nicht wundern, wenn die Teilnehmer der beiden Gruppen in 4 Wochen wieder eine Einladung erhalten.
Allerdings ist uns beim Einladen der Trainees zum bus2-Coaching einer durchgeschlüpft. Wir hatten nämlich die Trainees, die unserer Meinung nach nicht geeignet waren gar nicht mehr zum letzten Coaching eingeladen, so dass wir mit den guten bis besseren Trainees weiterarbeiten konnten. Aber einer der Teilnehmer, von dem ich wusste, dass er nicht zum Trainer taugt, tauchte doch wieder hier in Dhangadhi auf und hat es erneut nicht gebracht. Das bedeutete, dass wir ihm sagen mussten, dass wir ihn als Trainer nicht haben wollen, wenn wir bei den Trainings einen bestimmten Qualitäts-Standard halten wollen.
Diese Aufgabe habe ich übernommen und ich war zwar klar, aber keineswegs schonend. Ich sagte ihm, dass wir glauben, dass er im Moment kein bus-Trainer sein kann und ihm deswegen keine Zertifizierung ausstellen werden. Die Teilnahmebescheinigung bekam er bei der Abschlusszeremonie wie alle anderen auch überreicht. Er hat es mit einer gewissen Schicksalsergebenheit hingenommen und war für die Gründe unserer Entscheidung nicht zugänglich (während seiner Coachinganteile hat er nur assistiert und keine eigenen Trainingsteile gemacht. bus braucht Trainer, nicht Trainingsassistenten.) Dass er kein Englisch spricht, hat ihm nicht gerade geholfen, denn das bedeutete nicht nur, dass er oft Schwierigkeiten hatte, die Inhalte zu verstehen. Er hat natürlicherweise auch kaum etwas gesagt.
Natürlich habe ich ihm versichert, dass er einige Qualitäten mitbringt, er hat keine Scheu vor Gruppen, lächelt viel und ist sehr hilfsbereit. Ich habe ihm dann angeboten, beim Coaching Dezember im Osten dabei zu sein, wo er sein bus-Wissen unter Beweis stellen kann und Ingo und Monika nochmal entscheiden können, ob sie ihn für einen Einsatz empfehlen können. Auf meine Frage hin, hatte er keine Idee, wie er seinen Stand verbessern könnte. Wahrscheinlich war er zu schockiert.
Auch bei mir bewirkte das Vorkommnis natürlich Nachbeben. Ich gefalle mir in der Rolle des Ermutigers, des Begeisterers und in meinen Trainings muss ich auch nie jemanden beurteilen oder auch nur mit seinen Defiziten konfrontieren. Wenn jemand nicht will oder kann, lasse ich ihn mitlaufen.
Insofern ist dies eine neue Situation für mich und ich bin froh, sie aus einer so machtvollen Position heraus ausprobieren zu können. Was hilft diesem Trainee? Wie viele Abstriche vom bus-Orginal sind vertretbar, ohne dass die Qualität des Konzeptes darunter leidet? Ist es überhaupt legitim, mit einer solchen Argumentation, jemanden dieser Chance zu berauben. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mich während meiner Bildungskarriere durchgemogelt habe. Bei Leuten, die so streng sind, wie ich, hätte wahrscheinlich noch nicht mal die Mittlere Reife geschafft.
Und doch habe ich das Gefühl, es richtig gemacht zu haben. Er hat einen Schuss vor den Bug erhalten zusammen mit der Möglichkeit, es noch mal zu probieren. Besser, als die Leute einfach nicht mehr einzuladen. Belassen wir es für heute dabei. Ich lerne.
Namasté